Website von Nicolas Basse M.A.
#IngeDeutschkron100: Westfälische Straße 64, Berlin-Halensee. Ella und Inge Deutschkron wurden hier im Jahr 1943 in der damaligen Buchhandlung von Margarethe („Grete“) Sommer vor dem Naziterror versteckt - mit Hilfe von Dr. Otto Ostrowski, mit dem Frau Sommer liiert war.
„Ich trug den gelben Stern“, Kapitel „Von einem Versteck ins andere“, Textauszug: „Ostrowski hörte uns an. ‚Klar, wir helfen euch.‘ Aber wie? Provisorisch könnten wir ja zunächst auf dem Fußboden des Wohnzimmers in ihrer Wohnung übernachten.
‚Das geht schon mal‘, sagte Grete. Dann fiel ihr etwas Besseres ein. ‚Hinter meinem Laden in dem Kabuff kann man doch Matratzen auf den Boden legen. Ein WC gibt es im Keller, und ein Waschbecken existiert ebenfalls.‘ Jeden Abend würde man uns nach dem Essen in den Laden bringen und dort einschließen. Morgens würde ich sozusagen als erste Kundin den Laden verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Meine Mutter könnte sich während des Tages im Laden, aber auch im Haushalt nützlich machen. Wir waren sehr beglückt.“
Das Vorhaben änderte sich bald dahingehend, dass Inge Deutschkron als Verkaufsgehilfin getarnt wurde. „Grete lachte mich freundlich an: ‚Mach dir keine Sorgen. Ich wollte dir neulich schon anbieten, mir im Laden zu helfen.‘ Ich war sehr überrascht. Ich, die untergetauchte Jüdin ohne Papiere, sollte in einem Laden stehen und mit Deutschen reden, als wenn nichts wäre? [...]
‚Aber wer soll denn darauf kommen, daß du Jüdin bist?‘
Grete lachte. Die Frechheit, als ‚geflitzte Jüdin‘ in einem offenen Laden zu stehen, war [...] zu groß, um glaubhaft zu sein. Ich gewöhnte mich [...] daran und wurde Grete eine echte Hilfe.“
Der Plan ging 18 Monate lang auf.
Dr. Otto Ostrowski wurde im Jahr 1946 für kurze Zeit zum Oberbürgermeister für das damalige Groß-Berlin gewählt. Der Politiker der @spdde hatte bereits entscheidend dazu beigetragen, Dr. Martin Deutschkron im April 1939 die rettende Flucht nach Großbritannien zu ermöglichen.
Thread von @hesselmann mit verschiedenen Details zu Dr. Otto Ostrowski (der als Oberbürgermeister von Ernst Reuter abgelöst wurde), zu seiner politischen Laufbahn und auch zu seinem vielfachen Einsatz für Ella und Inge Deutschkron, sehr lesenswert.
Margarethe Sommer blieb für lange Zeit unbekannt. Sie heiratete Dr. Otto Ostrowski, der während ihrer Beziehung noch bis zum Jahr 1944 in erster Ehe verheiratet geblieben war - mit einer Jüdin, die auch durch seine wiederholte Hilfe den Naziterror und den II. Weltkrieg überlebte.
Die Helferin in der Not starb im Jahr 1960 - und insbesondere Inge Deutschkron erinnerte in verschiedenen ihrer Bücher immer wieder an Margarethe („Grete“) Sommer, die im Widerstand gegen die Nazityrannei sehr viel Mut bewies, wiederholt und bis zum Ende des NS-Regimes.